Keine Experimente – Schulöffnungen brauchen erst ein Konzept, dann einen Termin

Bild: Angelika Aschenbach

Im Rahmen der heutigen Plenardebatte zum Recht auf Bildung in der Corona-Krise forderte der bildungspolitische Sprecher der SPD-Fraktion im Hessischen Landtag, Christoph Degen, die schwarzgrüne Landesregierung auf, erst ein belastbares Konzept für die weitere Öffnung der Schulen vorzulegen und dann die entsprechenden Termine festzulegen.

Degen sagte: „In Person von Sozialminister Kai Klose – der dafür eigentlich gar nicht zuständig ist – hat die Landesregierung gestern Eltern, Lehrern und Schülern ohne weitere Erläuterungen einen Termin für die weitere Öffnung der Schulen vor die Füße geknallt. Das ist schlichtweg inakzeptabel. Denn offensichtlich gibt es für die Schulöffnungen jetzt zwar einen Termin, aber kein Konzept. Irgendwie soll das Lernen also bis zum Schuljahresende abwechselnd zuhause und in der Schule stattfinden. Wie genau das funktionieren sollen, wissen weder die Schulleitungen noch die Lehrkräfte, die genauso ratlos zurückbleiben wie die betroffenen Schülerinnen und Schüler und deren Eltern. Klar ist nur: Viele Lehrerinnen und Lehrer, die zu einer Risikogruppe gehören, werden für den Präsenzunterricht nicht zur Verfügung stehen. Und wie die Regeln des Infektionsschutzes und der Hygiene eingehalten werden sollen, wenn mehr Kinder und Jugendliche wieder in die Schulen kommen, ist völlig offen. Richtig wäre es gewesen, erst ein belastbares Konzept vorzulegen, das mit allen Betroffenen besprochen und kommuniziert wurde, und danach einen Termin festzulegen.“

Degen forderte Kultusminister Lorz erneut auf, in diesem Schuljahr auf die Prüfungen für die mittleren Bildungsabschlüsse zu verzichten. „Wo ein Ministerium schon mit der Organisation des Schulalltags in der Corona-Krise überfordert ist, solle man die Überforderung nicht durch Abschlussprüfungen vergrößern. Jahrzehntelang war das Schlusszeugnis der 10. Klasse ein ausreichender Qualifikationsnachweis. Im Sinne aller Beteiligten sollte der Minister endlich den Mut haben, in dieser Ausnahmesituation ausnahmsweise dorthin zurückzukehren“, so Christoph Degen.

Der SPD-Bildungsexperte würdigte die engagierte Arbeit der Schulen und der Eltern, die sich bemüht hätten, trotz der Schulschließungen Lernfortschritte bei den Schülerinnen und Schülern zu ermöglichen. Dass das Lernen auf Distanz in unterschiedlicher Ausprägung überhaupt funktioniere, sei kein Verdienst des Kultusministeriums, sondern allein ein Ergebnis des persönlichen Engagements der Familien und der Lehrkräfte.

Die Corona-Pandemie, so Degen, habe die Versäumnisse der letzten Jahre in der hessischen Schulpolitik schonungslos offengelegt: „Das beginnt bei dem schon lange bekannten Sanierungsstau, der dazu führt, dass es in vielen Schulen nicht einmal warmes Wasser zum Händewaschen gibt. Und es endet bei der Erkenntnis, dass die Landesregierung keine Vorbereitungen für die Digitalisierung der Schulen getroffen hat. Mehr als ein Jahrzehnt galt den wechselnden Kultusministern das digitale Lernen bestenfalls als eine Ergänzung des Präsenzunterrichts von untergeordneter Bedeutung. Nun ist aus der netten Ergänzung ein unverzichtbarer Ersatz geworden – und ein Beitrag zur Verschärfung der sozialen Spaltung unseres Landes. Denn allen Kinder und Jugendlichen, bei denen zu Hause Laptop und WLAN nicht selbstverständlich sind – und davon gibt es mehr, als der Kultusminister wahrhaben will – wird das Recht auf Bildung faktisch genommen. Das Land muss sicherstellen, dass alle Schülerinnen und Schüler über die erforderlichen Geräte verfügen können, auch wenn die Eltern finanziell nicht imstande sind, mal eben dreihundert oder fünfhundert Euro für ein Laptop oder ein Tablet auszugeben. Das ist eine essentielle Frage der Bildungsgerechtigkeit, bei deren Lösung die Landesregierung gerade versagt“, so Christoph Degen.