Des kürzlichen Unfalls an einem der unbeschrankten und kaum gesicherten Bahnübergänge in Hundstadt bedurfte es nicht mehr, um eine Stellungnahme der SPD-Fraktion Grävenwiesbach zum Ausbau der S-Bahn-Linie S 5 bis Grävenwiesbach abzugeben. Bereits längere Zeit vor dem einstimmigen Beschluss der Gemeindevertretung, den Gemeindevorstand aufzufordern, eine Stellungnahme abzugeben zum unhaltbaren Zustand der letzten beiden ungesicherten Übergänge der ganzen Taunusbahntrasse von Friedrichsdorf bis Brandoberndorf, hatte der Fraktionsvorsitzende Rudolf Tillig mit Bürgerinnen und Bürgern und dem Ortslandwirt das Gespräch aufgenommen: „Ich selbst überquere beide Übergänge bei den Spaziergängen mit meinem Hund täglich und habe mich schon lange gewundert, warum Andreaskreuze bei diesem kurvigen Verlauf ausreichend sein sollen,“ so Tillig.
Als nun die Offenlage der Planunterlagen für den 1. Bauabschnitt des Ausbaus erfolgte und wieder einmal eine Ertüchtigung der Bahnübergänge nicht im Plan erhalten war, schien es an der Zeit, dies anzumahnen und die ohnehin erforderlichen Maßnahmen vorzuziehen. „Es kann nicht nochmals zehn Jahre zugewartet werden, bis hier endlich etwas erfolgt!“ Tillig weist darauf hin, dass die stets abgegebenen Erklärung, dass eine Beschrankung aus Sicherheitsüberlegungen nicht erforderlich sei, heute nicht mehr haltbar sei.
Da werbe der Hochtaunuskreis offensiv in allen Gemeinden – also auch im Usinger Land – für ein ganzheitliches Radwegekonzept, und der damit dann sicher zunehmende Radlerverkehr spielt dann bei den Planern genauso wenig eine große Rolle wie die vielen Wanderer, die zum Teil von weiter her kommen, um Ruhe und Erholung zu finden. Was das ansonsten nirgends mehr vernehmbare „Läuten und Pfeifen“ eines herannahenden, aber noch nicht auszumachenden, Zuges bedeuten soll, erschließt sich ihnen eher nicht. Der Wanderverkehr werde noch sehr zunehmen, wenn die Dorfgemeinschaft Hundstadt e.V., bei der Tillig als Schriftführer fungiert, ihren 10 Kilometer langen Rundwanderweg erst eingerichtet habe.
Aber die Feldwege, die die Bahntrasse queren, dienten in erster Linie dem land- und forstwirtschaftlichen Verkehr. Und auch da habe sich so einiges gewandelt. Die Maschinen seien weit größer geworden, die Gespanne auch länger. Und die Fahrer säßen heute nicht mehr im Offenen, sondern in Kabinen, oftmals auch mit Hörschutz, so dass auch demjenigen, der eigentlich die Warntöne interpretieren kann, sie – auch aus Gewohnheit – nicht immer bewusst wahrnähme. Die Topografie und die Wegeführung lasse zudem nur ein langsames Fahren zu, was die Zeit für das Überqueren noch verlängere.
Um zu erwartende Unfälle zu vermeiden, so hat Rudolf Tillig erfahren, meide der Ortslandwirt – wann immer möglich – beide Überwege und habe auch seine Angestellten entsprechend angewiesen. Er fahre also überwiegend mit seinen großen Gespannen durch die Wohngebiete.
Der Verlauf der Bahntrasse hinter Wilhelmsdorf, so Tillig weiter, sei kurvenreich und somit schwer einsehbar. Eine zusätzliche Beeinträchtigung der Sicht sei gegeben durch Heckenbewuchs. Und die Anhaltewege bei der beabsichtigten Maximalgeschwindigkeit von 60 km/h seien nicht ausreichend, selbst bei reduzierter Geschwindigkeit von 40 km/h seien sie es nicht; andere Land- und Forstwirte müssten allerdings die unbeschrankten Übergänge nutzen.
So sei auch für die Zugführer eine ausreichend rechtzeitige Reaktion kaum möglich. Der Verzögerungsrechner (https://bahntechnik-bahnbetrieb.de/verzoegerungsrechner/) errechne für eine Regionalbahn der eingesetzten Größenordnung einen Bremsweg von ca. 160 Metern und einer Bremszeit von fast 20 Sekunden. Das sei beides zu viel auf dieser kurvigen Strecke, um rechtzeitig vor den Übergängen zum Halten zu kommen.
Aufgrund zweier Unfälle vor vielen Jahren mit Todesfolge wurde der Bahnübergang über die Kreisstraße gesichert und nochmals mit Schranken ertüchtigt. Seither keine Unfälle mehr!
Der Unfall am 07. Januar 2021 verlief zum Glück glimpflich, da die Frontladergabel eines Traktors, die ein wenig in den Fahrquerschnitt hineinreichte, lediglich die Triebwagen touchierte. So entstand nur Sachschaden.
Wenige Zentimeter mehr hätten den Traktor zum Umstürzen gebracht und den Fahrer unter sich begraben. Eine niedrigere Stellung der Gabel hätte auch den Fensterbereich aufreißen können und so Passagiere verletzen oder töten können.
Vom VHT sei Tillig zufolge nur eine eher pauschale Information mitgeteilt. Er zitiert: „[…] die Faktoren sind zu zahlreich und vielfältig, sodass eine Angabe der real vorkommenden Bremswege pauschal leider nicht möglich ist. Zu erwähnen sind dabei u.a. der Besetzungsgrad der Züge (Gesamtmasse), die Neigungs- bzw. Steigungsverhältnisse sowie Krümmungen der Strecke, die Witterungsbedingungen (Haftbeiwerte zwischen Rad und Schienenkopf) und auch die Art der Bremsungen (Betriebsbremsung, Gefahrenbremsung etc.). Eindeutig können wir zumindest angeben, dass selbst unter Beachtung der ungünstigsten Eingangsgrößen aller oben genannten Einflussfaktoren der Bremswegabstand von 400 m für die zugelassene Geschwindigkeit von 60 km/h immer vollkommen eingehalten wird.“
„400 Meter lang“ erläutert Tillig, „ist die Strecke nirgends einsichtbar, vielleicht gerade 200 Meter in der Nähe der Übergänge.“ Da träfe also eher der Zustand „Blindflug“ zu bis zum Übergang. Und dass diese Stelle offensichtlich nicht ungefährlich für Passanten sei, zeigten zwei von der Taunusbahn getroffene Maßnahmen, die unmittelbar nach dem Unfall gezogen wurden: So wurde am Sonntag, dem 10. Januar die gesamte Strecke von Wilhelmsdorf bis Hundstadt flugs einem Heckenschnitt unterzogen und alle Züge führen an diesen Stellen jetzt bedeutend langsamer als noch zuvor. Dieses langsamere Fahren entspreche aber nicht den Planungen für den Verkehr auf dem Strecken-abschnitt Brandoberndorf – Usingen. Es liefe den Optimierungsplanungen entgegen.
Tillig hat noch einen weiteren Punkt. Denn zur Gewährleistung einer ausreichenden Betriebsstabilität bei der Durchführung des vorgesehenen Fahrplankonzepts sei es erforderlich, den vorhandenen Haltepunkt Hundstadt zu einem Kreuzungsbahnhof auszubauen. Dazu würde im Streckenverlauf östlich des vorhandenen Haltepunkts (also in Fahrtrichtung von Usingen nach Grävenwiesbach „vor“ dem Haltepunkt) ein Begegnungsgleis vorgesehen, das mit zwei Weichen an das durchgehende Streckengleis angebunden werde. Aus den Planungsskizzen sei leider nicht ersichtlich, ob der Wirtschaftsweg des VHT „Schlagweg“ auch nach dem Ausbau der Zweigleisigkeit in dem Bereich zwischen dem ehemaligen Bahnhofsgebäude (Adresse: Am Bahnhof 1) und der Ortsbebauung östlich (Adresse: Schlagweg 3) weiterhin vollkommen erhalten bliebe.
Sollte er allerdings – nicht nur als Zuwegung zum neuen Bahnsteig, sondern auch zur Erhaltung für Zwecke der Feuerwehr. Die rückseitige Brandbekämpfung der Anwesen entlang der Hauptstraße, erläutert Tillig, der auch Mitglied im Ortsbeirat Hundstadt ist, weitgehend ehemalige, zwischenzeitlich teilweise umgebaute Bauernhöfe mit alten Scheuern in oftmals Holzbauweise, wäre so sehr erleichtert, denn die Ortsteilfeuerwehr verfüge nicht über eine ausreichende Ausstattung z.B. mit Drehleiterwagen, um Löscheinsätze schnell und wirksam von der Hauptstraße aus zu unternehmen.
Sollte der Schlagweg nicht in ausreichender Breite durchgehen erhalten werden können, so sollte, schlägt Tillig abschließend vor, überlegt werden, den neuen Bahnsteig für schwere Fahrzeuge (z.B. der Feuerwehren und andere Rettungsfahrzeuge) befahrbar zu machen.